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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
60 Jahre nach KriegsendeSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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Vor 60 Jahren war der 2. Weltkrieg zu Ende. Die deutsche
Wehrmacht hatte kapituliert, ein Friedensvertrag kam aber nicht zustande.
Trotzdem leben wir jetzt seit 60 Jahren in Frieden, und nicht nur wir,
sondern ganz Westeuropa. Krieg ist ein rein deutsches Wort und hat anscheinend ursprünglich 'Geschrei' bedeutet, daher kriegen '(erkämpfen >) , bekommen'. Englisch war, französisch guerre aus germanisch werra ist mit verwirren verwandt, meint also das 'Chaos', das durch Kampfhandlungen entsteht. Dagegen spielt niederländisch oorlog auf den rechtlosen Zustand außerhalb des Friedens an (zu germanisch liuga 'Rechtsverhältnis'). Das ist Krieg. Aber was ist Friede? Das gemeingermanische Wort ist wie frei 'im Vollbesitz aller Rechte, unabhängig', freien 'um die Hand einer Frau anhalten' und Freund 'Mensch, den man gern hat', abgeleitet von einem indogermanischen Wort pri- 'lieben'. Friede ist davon abgeleitet wie Freude von freuen und bedeutet eigentlich 'Liebe, Eintracht'. Um das zu verstehen, müssen wir uns in die Stammesgesellschaften früherer Zeiten hineinversetzen: Das Stammesmitglied war fest in diesen Verband eingebunden, hatte darin seine Rechte und Pflichten und wurde durch seine Gruppe geschützt. Außerhalb des Stammesgebietes war es rechtlos, wenn es nicht das Gastrecht fremder Gruppen in Anspruch nehmen konnte. Innerhalb der Gruppe waren Gewalttätigkeiten verboten, es herrschte „Friede“. Aggressionen wurden durch ständige Kriege mit Nachbarstämmen nach außen abgeleitet. Von daher bezeichnet unser Wort Friede bis heute auch ein Gewaltverbot innerhalb eines bestimmten Bereichs. Hausfriedensbruch, indem jemand unbefugt in fremden Besitz eindringt oder darin verweilt, ist auch heute strafbar. Der mittelalterliche Burgfriede verbot Gewalt innerhalb einer Burg und eines erweiterten Bezirks. Mit dem allgemeinen Landfrieden versuchten die Kaiser die privaten Fehden in ihrem Reich einzuschränken. Die Kirche verordnete einen Gottesfrieden, bei dem man an bestimmten Wochentagen nicht von den Waffen Gebrauch machen durfte. Im Laufe von über tausend Jahren ist es schließlich gelungen, einen dauerhaften Verzicht auf private Waffengewalt in ganz Deutschland durchzusetzen. Auf das germanische Friede hat aber stark lateinisch pax eingewirkt, das nicht das Einvernehmen in der Gruppe, sondern eine Abmachung (lateinisch pactum) zwischen zwei Gruppen bezeichnete, also den Friedensvertrag, der das Ende der Feindseligkeiten bedeutet. Von daher bekam auch unser Friede die Bedeutung 'Gegenteil von Krieg'. Hoffen wir, dass uns innerer und äußerer Friede erhalten bleiben und Rechtlosigkeit und Chaos keine Chance haben. |
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Datum: 10.05.2005 Aktuell: 12.05.2020 |