Startseite | Religion | Sprachwissenschaft | Geschichte | Humanwissenschaft | Naturwissenschaft | Kulturwissenschaft | Kulturschöpfungen Sprachen | Wörter | Grammatik | Stilistik | Laut und Schrift | Mundart | Sprachvergleich | Namen | Sprachecke |
||||
Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
SitzgelegenheitenSprachecke in den Echo-Zeitungen |
Email:
|
||
|
Ärzte haben manchmal eine merkwürdige Art,
sich auszudrücken. So sagen sie Stuhl und
meinen die Darmausscheidung. Zu meiner Verwunderung las ich in einem
medizinischen Untersuchungsbericht, dass man dafür auch auf Englisch
stool sagt. Wie kommt es zu dieser seltsamen
Bedeutung?
Der fränkische Geschichtsschreiber Fredegar
berichtet, dass um 600 der Prinz Gundoald ermordet wurde, "während er "in
faldaone" saß, um "seinen Leib zu reinigen". Dass
falda 'Abort' bedeutet, ergibt sich aus dem Zusammenhang. Aber was
ist das für ein Ausdruck?
Stuhl bedeutet
allgemein 'Gestell'. Das zeigen Ausdrücke wie
Glockenstuhl 'Gestell, an dem die Glocken aufgehängt sind',
Dachstuhl 'hölzerne Unterkonstruktion des
Dachs', Webstuhl 'Gerät zum Weben'. Das
entsprechende russische стол stol
(gesprochen "ßtou") bedeutet 'Tisch', den Sitz nennt man стул
stul ("ßtul"), wohl aus dem Deutschen. Stuhl war in der alten Sprache auch Name für den Prunksessel des Herrschers, den Thron (aus griechisch θρόνος thrónos 'Sessel', dazu θρᾶνος thrânos 'Bank, Schemel'). Stuhl ist also ein sehr umfassendes Wort, vom Edlen bis zum Gemeinen. |
|||
|
Ein Leser schrieb zum Stichwort Klosett folgendes: Schon lange suche ich Klosett zu enträtseln; fand im Brockhaus Conversations-Lexikon von 1882 bei Klosett Hinweis Abort. Dort auf Abhandlung von 1866: "Ober Wert und Unwert der Water-Closets" mit der Nachricht: "Das Water-Closet ist eine englische Erfindung." Dort gilt Sir John Harington als Erfinder, ein Hofkavallier, der sich 1596 eine eigene Anlage und eine zweite in Queen Elisabeths Palast in Richmond baute. Er führte Wasser aus dem Dorfbach zu, jedoch die Art seines Aborts ist weder gezeichnet noch genau beschrieben. Offenbar fand er keine Nachahmer, zumal mindestens 250 Jahre vor möglich erster Haus-Wasser-Installation.
In England wollte ich in den 60er-Jahren die Entwicklung vom
erdgleichen Abort zum sprachlich unklaren
Klosett
erkunden. Wasserversorgung war schon früh überall geregelt durch umgebende
Wasservorkommen: Flüsse, Quellen, Brunnen. Europa verdichtete sich in seinen
Städten, wo mehrgeschossig gebaut und gewohnt wurde. Europäisches Wohnen in
Städten wurde infolge der Verdichtung erst im 19.Jh. stadtplanerisch
überlegt und kanalisiert. Dazu benutzte man die älteste technische Erfindung
der Menschheit, das Rohr; ursprünglich nur zum horizontalen Wasser-Transport
mit leichtem Gefälle gebraucht. Älteste Rohre sind ausgehöhlte Baumstämme,
die wir in archäologischen Sammlungen bewundern. Der langen Führungen wegen,
wurden sie zugespitzt, ineinander gesteckt und verpicht. Die erste Dichtung
wasserführender Holzrohre war erfunden. Wasser über große Entfernungen zu
leiten, leisteten schon früh kilometerange antike Aquädukte aus Steinen
gebaut. Dann lernte man, Ton zum Rohr formen + zu brennen, Unbekannt ist,
wann Mehrgeschoss-Häuser in jedem Geschoß einen Abort haben konnten.
Fäkal-Gewicht +Transport erfordern senkrecht installierte Rohre, english
pipes, deren technische Bewältigung bestimmte Längen, zwecksichernde Muffen
und deren Dichtung forderten. Erst verwendete rauhe Innenwandung
verstopften, brauchten eine glatte Innenglasur. Meine Antwort: In Kluge, Etymologisches Wörterbuch (24. Auflage elektronisch) wird das, was Sie schreiben, ungefähr bestätigt: Klosett (19. Jh.). Entlehnt aus ne. water-closet, eigentlich "abgeschlossener Raum mit Wasser". In England gab es Toiletten mit Wasserspülung schon seit dem Ende des 16. Jhs., während anderenorts dieser schon römische Brauch aufgegeben worden war. Der Geruchabschluß durch den Siphon ebenfalls aus England im 18. Jh., die Bezeichnung als water-closet schon etwas früher (in der Patentschrift water-closed, gemeint war dabei der Geruchsabschluß durch Wasser). In Deutschland werden diese Neuerungen zunächst als zu kostspieliger technischer Aufwand angesehen; doch setzen sie sich langsam durch. Die Bezeichnung ist zunächst Wasserclosett (nach englischem Vorbild auch abgekürzt als WC), dann Wegfall des Bestimmungsworts und häufige Kürzung zu Klo. Die Endbetonung von Klosett basiert auf einer Französisierung (frz. closet "abgeschlossener Raum" ist Grundlage des englischen Wortes). Ich kann dieses Durcheinander von closed und closet leider nicht entwirren. Da haben sich wohl zwei Gedanken überkreuzt: 1. Die Einrichtung ist geruchfrei durch Wasser abgeschlossen, 2. Der abschließbare Raum hat Wasseranschluss. Sprachlich ist beides unbefriedigend. Man tut sich bei technischen Neuerung ja oft schwer, die Besonderheit zu formulieren, siehe Automobil 'Selbstfahrer' (treffender wäre "Motorwagen"). Ich nehme zur Kenntnis, dass closet zunächst ein englisches Wort war und "klóuset" gesprochen wurde, auch wenn es französischen Ursprungs ist. Englisch closet war in der Bedeutung 'privates, nicht öffentliches Zimmer' schon im 14er-Jahrhundert gebräuchlich, das zugrunde liegende altfranzösische closet ist seit 1309 bezeugt und bedeutete 'kleines closis (eingezäuntes Grundstück)'. Ich vermute also, dass das englische Wort eine Parallelbildung ist, bei der die romanische Endung -et nicht wie sonst eine Verkleinerung bezeichnet, sondern einen Ort (lateinisch clausetum 'abschließbarer Ort'). Dagegen: cabinet 'kleine Kabine'. Dass auch to close 'schließen' lateinische Vorfahren (clausum) hat, ist Ihnen wohl bekannt. Die hölzernen Wasserrohre (Teucheln) gab es auch bei uns. In Georgenhausen wurde das Hofgut durch eine solche Leitung versorgt, Reste davon hat man vor ein paar Jahrzehnten gefunden. Die Leitung soll noch in den 30er- oder 40er-Jahren in Betrieb gewesen sein. Es wird erzählt, dass böse Buben am anderen Ende Frösche hineingesetzt hätten |
|
||
|
|
Datum: 10.04.2007 Aktuell: 09.02.2019 |