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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
Memento moriSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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Leserbrief |
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Tot sein ist ganz normal. Die Welt hat Milliarden von
Jahren vor mir existiert und wird auch später ohne mich zurechtkommen. Die
Erde besteht hauptsächlich aus totem Material, die lebenden Organismen
machen nur einen winzigen Bruchteil aus. Die meiste Materie im Weltall ist
dünn verstreuter Staub. Der Rest mit Trilliarden von Himmelskörpern schwebt
isoliert in unendlichen Weiten. Auf wie vielen von ihnen gibt es Leben? Wir
kennen nur die Erde. Im Deutschen haben wir für diesen normalen Zustand zwei Wortstämme, das Nomen tot, Tod und das Verb sterben. Das Englische begnügt sich mit einem: Adjektiv dead, Substantiv death, Verb die. Die unterschiedliche Schreibweise von Adjektiv und Substantiv beruht darauf, dass man im Indogermanischen die beiden Wörter verschieden betont hat: dʰautós wurde zu germanisch daúðas, dead, tot – dʰaútus zu daúþus, death, Tod. Das dazu passende englische die 'sterben' ist erst seit dem 13. Jahrhundert bezeugt und kommt von altnordisch deyja; das altenglische Wort war steorfan (unser sterben). Warum haben unsre Vorfahren und die Angelsachsen für Nomen und Verb zwei Wortstämme gewählt? Heute ist es uns peinlich, übers Sterben zu sprechen. Wir umschreiben lieber mit 'umkommen, entschlafen, heimgehen". So könnte auch sterben (eigentlich 'erstarren') eine Umschreibung für das altgermanische deuwan 'totgehen' gewesen sein, das man als zu hart empfunden hat. Oder sah man einen sachlichen Unterschied zwischen sterben und tot sein? Denn wer stirbt, der lebt ja noch. Tot sind wir erst nach dem Sterben.
In den
romanischen Sprachen ist
mort(e) (Entsprechung von Mord)
weiblich. Man stellte sie sich mitunter
als schöne Frau vor. Im germanisch-romanischen Grenzbereich in der
Schweiz und in
Österreich erzählte man Geschichten vom Tod und seiner Gattin, der
Tödin (la morte). |
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Eine Leserin machte mich darauf aufmerksam, dass auch in den slawischen Sprachen der Tod weiblich ist (tschech. smrt) und dass sie in Tschechien Zubatá lautet: 'die mit den Zähnen', weil die Zähne bei einem Skelett besonders auffallen - wahrscheinlich ein Tabuname. |
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Sprachecke 23.11.2004 |
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Datum: 24.11.2009 Aktuell: 09.10.2021 |