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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
Zeit und EwigkeitSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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Bei der herkömmlichen Uhr ist es offensichtlich: Die Zeiger drehen sich im Kreis. Alle zwölf Stunden beginnt der Kreislauf von neuem. Die Erde dreht sich um ihre Achse und kreist um die Sonne, deshalb wiederholen sich in regelmäßigem Wechsel die Tages- und Jahreszeiten. Auch die Mondphasen wiederholen sich: Alle 29,53 Tage ist wieder Neumond. Wenn sich alles
wiederholt, wieso kann dann die Zeit ein Ende haben? Weil es noch eine
andere Sichtweise gibt: Unser Leben hat einen Anfang und ein Ende. Es ist
nicht Wiederholung, sondern Veränderung, Werden und Vergehen. Andere Kulturen sehen das anders. Die Inder rechnen mit einem ewigen Kreislauf. Eine Runde (Kalpa 'Regel') dauert 4,32 Milliarden Jahre. Die Mayas legten ihren astronomischen Berechnungen einen Zyklus zugrunde, der 3114 v. Chr. angefangen hat und 2012 zu Ende gehen soll. Das ist nicht der Weltuntergang, sondern nur das Ende einer Ära, der eine neue folgt. Im Unterschied zu diesen genau definierten Perioden ist unsre Ewigkeit ein verschwommener Begriff für 'sehr lange Zeit'. Das Grundwort, germanisch aiw-, bezeichnete keine Jahrmillionen, sondern einen überschaubaren Zeitraum, die 'Lebenszeit'. Die Bedeutung 'unübersehbar langer Zeitabschnitt' war aber schon den Indogermanen bekannt. Unsere heutigen Vorstellungen sind geprägt von religiösem und philosophischem Gedankengut: Danach ist Ewigkeit geradezu das Gegenteil von Zeit: das Jenseits, die Dimension Gottes, der ohne Anfang und Ende ist und keinem Werden und Vergehen unterliegt. Ja, und was ist die Zeit? Die Physiker haben darauf eine eigene Antwort: Sie ist zusammen mit dem Raum eine Grundgröße der Welt. Das haben schon die Germanen geahnt, als sie die Wörter tîdis, deutsch Zeit und tîma, englisch time prägten: Sie knüpften an das indogermanische Wort dei- 'Licht, Himmel, Tag, Gott' an, bei dem die Bedeutung 'Tag' ja schon zu 'Zeit' überleitet. Andere deutsche Wörter für 'Zeit' sind Weile 'Zeitraum' und Frist 'die Zeit bis zu einem bestimmten Termin'. Althochdeutsch hwîla 'Zeitabschnitt, Zeitpunkt, Stunde' erinnert an lateinisch tran-quillus 'ruhig': Gemeint war die Ruhepause bei einer Reise. Frist hat die Grundbedeutung 'Vorzeit, die Zeit vor uns' und ist verwandt mit frisch. Neben der endlosen Ewigkeit und der unbegrenzten Zeit stehen die begrenzte Weile und die Frist, die vor uns liegt. |
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Begriffe Zeit | Sprachecke 03.07.2012 | 29.12.2015 |
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Datum: 08.12.2009 Aktuell: 09.02.2019 |