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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
Gut gemeintSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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Geschenke sind Zeichen der Zuwendung, vielleicht die einzige Art von Zuwendung, zu der der Schenker fähig ist, oder für die der Beschenkte einen Sinn hat. Manchmal sind sie vielleicht lieblos und gedankenlos ausgesucht, aber meist sind sie doch wohl ein Zeichen guten Willens. Peinlich ist nur, wenn der Beschenkte nichts damit anfangen kann. Es war gut gemeint, aber schlecht bedacht und schlecht gemacht. Schade. Da fragen wir uns. Was ist denn überhaupt gut? Der Egoist sagt: "Alles, was mir nützt." Das ist primitiv. "Gut ist alles, was dem Nächsten nützt", hört sich schon besser an, ist aber kurzsichtig. Es kommt nicht auf die Wünsche und Bedürfnisse des Einzelnen an. Wer aber hat schon den Überblick und Weitblick, um zu beurteilen, was für uns alle, die ganze Menschheit, das Leben, unsern Planeten gut ist? Man hat lange herumgerätselt, woher das Wort gut kommt. Das finden wir heraus, wenn wir die Urform rekonstruieren: germanisch gôdas, indogermanisch ghôdhos. So entdecken wir leicht die Verwandtschaft mit russisch gódnyj 'tauglich, geeignet, passend', ferner albanisch godine '(zusammengefügtes) Gebäude', süddeutsch Gaden 'Zimmer, Nebengebäude, Stockwerk', deutsch Gatte 'Ehepartner' und schließlich näher an der Grundbedeutung: hessisch gadding 'passend'. Was gut oder schlecht ist, lässt sich also nicht durch eine allgemeine Regel festlegen, es kommt auf die Umstände an. Gut ist, was zu einer bestimmten Situation passt. Das zeigt auch ein anderes Zwillingspaar: tschechisch dobrý 'gut' und altenglisch dafen 'passend'. Gut ist ein unregelmäßiges Adjektiv. Die Steigerungsformen werden von einem anderen Wortstamm gebildet: besser, best, der seine Grundstufe schon in indogermanischer Zeit verloren hat. Den anderen Indogermanen ist es nicht anders ergangen: Die Lateiner steigern zum Beispiel bonus, melior, optimus. Grund: Das absolut Gute kann man nicht überbieten. So dachte man in der Vorzeit und steigerte schlecht (lateinisch malus) / besser / gut. Dieser Denkweise verdanken wir das Paradox, dass ältere Menschen jünger als alte sind. Auch das Adverb hatte in der alten Sprache einen anderen Wortstamm: wohl (von wollen, also 'wunschgemäß'). Die Steigerung war bass. Vor Verben gebrauchte man im älteren Deutschen nicht gut, sondern wohl. Erhalten ist dieser Sprachgebrauch noch "lebe wohl", lass es dir gut gehen, oder "wohl gefallen", gut gefallen. Oder in dem Bibelspruch "Er wird's wohl machen"[1], sodass alles gut wird. Oft aber hat dieses Wort nur noch eine abgeblasste Bedeutung: "Es wird wohl (vermutlich) das Beste sein". "Die Botschaft hör ich wohl (zwar), allein mir fehlt der Glaube."[2] |
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[2] Goethe, Faust 1. Teil, Nacht
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Frage: Gott und gut Das germanische Wort gōdas erinnert mich sehr an Gott bzw. engl. God. Haben Gott und gut einen gemeinsamen Ursprung?
Meine Antwort: Sie sind nicht die erste, der die Ähnlichkeit zwischen gut und Gott aufgefallen ist. Schon Martin Luther schrieb 1529 im Großen Katechismus: Daher auch, meine ich, dass wir Deutschen Gott eben mit dem Namen von Alter her nennen (feiner und artiger als keine andere Sprache) nach dem Wort "gut", weil er ein ewiger Quellbrunn ist, der sich mit lauter Güte übergießt, und von dem alles, was gut ist und heißt, überfließt. Wir sind heute anderer Meinung: Gott kommt nicht von gut, sondern bedeutet 'das angerufene Wesen' (indogermanisch ƺʰutón, germanisch gudʰa). |
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Frage: wohl und well Ist engl. well die Entsprechung zu wohl? Wenn ja, welches Urwort liegt dem zugrunde? Und wie ist es zu der Dehnung in wohl gekommen?
Meine Antwort: Wohl ist verwandt mit wollen, bedeutet also 'wunschgemäß'. Das englische well hat die ältere Lautung mit E. Durch das W wurde E im Deutschen und im Englischen manchmal zu O umgefärbt (Woche = week; Wert = worth).
Das Indogermanische hatte feste lange und kurze Vokale, unabhängig von der Betonung z.B.
Seit etwa 1000 Jahren wurde diese Regel von einer anderen überlagert: Ein Vokal in offener Tonsilbe ist lang, in allen anderen kurz: Daher:
Zu Beginn der Neuzeit ist im Deutschen ein Ausgleich eingetreten, so dass die Stammsilbe immer kurz oder lang ist, daher heute Tāg / Tāgs / Tāge. Damit ergab sich eine neue Regel: Wenn hinter dem Vokal nur ein Konsonant steht, ist der Vokal lang. Hinter kurzem Vokal müssen zwei oder mehr Konsonanten stehen.
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Gehören fürbass und bass erstaunt nicht auch hierher?
Meine Antwort: Letzteres lässt sich gut erklären als 'sehr erstaunt'. Bass hat im Laufe der Zeit diese lediglich verstärkende Bedeutung angenommen. Fürbass bedeutet 'voran, weiter' und wird erklärt als 'besser vorwärts'. Mittelhochdeutsch vür 'für, vor' war nicht nur Präposition, sondern auch Adverb ("geh mal vor, ich komme nach"). "Ich ging im Walde so für mich hin" kann man verstehen als 'in eigenem Interesse', gemeint ist aber wohl "vor mich hin", ohne konkretes Ziel ("um nichts zu suchen"). Fürbass wäre dann 'mehr vor, weiter', entweder 'weiter nach vorn', 'weiter nach einem Aufenthalt' oder einfach 'unaufhaltsam weiter'.
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Sie haben mit Ihrer Sprachecke wieder einen Gedankengang angestoßen: Die Steigerung von wohl sei bass, nur dafür haben Sie mal kein Beispiel gebracht. Darob war ich bass erstaunt und ich fing schon mal in Gedanken an zu formulieren, als ich neulich so fürbass einher schritt...
Meine Antwort:
Es gibt keine weiteren Beispiele im heutigen
Deutsch für den Gebrauch von
bass als
bass
erstaunt (in zwei Wörtern) und
fürbass (in einem). Da muss man schon in vergangene Jahrhunderte
zurückgehen.
"Baß
(wohler) glückt Harfenspiel und Sang, Wann ich brav
schlampampe." |
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Begriffe gut / böse |
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Datum: 11.01.2011 Aktuell: 09.02.2019 |
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