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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
Die Lichter brennenSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen, wie glänzt er festlich, lieb und mild, als spräch' er: "Wollt in mir erkennen getreuer Hoffnung stilles Bild!". [1] Hier ist ganz klar, dass mit Lichtern die Kerzen gemeint sind. Licht war in der Zeit vor der Petroleumfunsel ein anderes Wort für 'Kerze', auch heute haben sich Spuren davon erhalten: Ein Wachslicht ist eine Wachskerze, ein Teelicht eine Kerze, die zum Warmhalten des Tees dient. "Ein Licht aufstecken" bedeutete wörtlich 'eine Kerze auf den Leuchter stecken', damit man besser sehen kann. Erkenntnis Im übertragenen Sinn "stecken wir jemand ein Licht auf", der etwas nicht versteht. Vermutlich ist er "keine große Leuchte" und "nicht besonders hell". Damit sind wir bei einer bildlichen Bedeutung von Licht: die Fähigkeit zu sehen und zu erkennen. Nachts, wenn "alle Katzen grau" sind und man "die Hand nicht vor den Augen sieht", sind die Blinden besser dran, denen das Augenlicht, das Sehvermögen, fehlt. Ihnen muss man nicht erklären, wo die Tür und der Kühlschrank sind. Sie können trotz ihrer Behinderung heller sein und Zusammenhänge klarer sehen als mancher Sehende, der keinen Durchblick hat. Licht und Strahl Licht ist ein umfassender Begriff, zu dem das Adjektiv licht und das Verb leuchten gehören. Diese Wortfamilie gibt es in fast allen indogermanischen Sprachen als leuk-. Web Verwandt ist lugen, englisch look 'schauen': Web Licht ist, was Sehen ermöglicht. Die Physiker beschreiben Licht als winzige Funken, die sich gradlinig, als "Strahlen" fortbewegen. [2] Sie heißen Photonen [3] (aus griechisch phôto- 'Licht-' Web). Althochdeutsch strâla war der 'Pfeil' und konnte auch den "Blitzstrahl" bezeichnen. Erst im 17. Jahrhundert kam die heutige Bedeutung 'Lichtspur' auf und wurde auf ähnliche Erscheinungen übertragen (Röntgenstrahlen). Das Verb strahlen für die 'Bewegung des Blitzes' ist seit dem 16. Jahrhundert bezeugt. Web Freude
Wenn eine Substanz "strahlt", ist sie
wahrscheinlich radioaktiv. Wenn ein Mensch das tut, zeigt er seine Freude,
aber nicht durch Jubel und Freudentänze, sondern nur in seinem Gesicht. Er
hebt die Brauen, macht damit optisch die Augen größer und zeigt ein Lächeln.
Das kurze Strahlen kommt von den Augen, nicht von den Zähnen. Früher hat man
gesagt "er lässt sein Angesicht leuchten", er freut sich, wenn er einen
lieben Menschen sieht und erkennt. Hoffnung
Licht
verbinden wir also auch mit Freude. Und mit Hoffnung. Wenn ein Wanderer sich
im Dunkeln verirrt, zeigt ihm ein fernes Licht, dass dort Menschen sind, die
ihm weiterhelfen können. Das ist buchstäblich ein
Lichtblick für ihn. Ursprünglich war
damit gemeint, dass sich die Sonne bei Regen oder an einem trüben Tag mal
kurz sehen lässt, sodann etwas Erfreuliches, das sich kurz zeigt, oder eine
plötzliche rettende Idee. Ein Lichtblick für unsern Wanderer könnte auch
sein, wenn ihm einfällt, dass er sein Navi im Rucksack hat. Leben Licht ist auch ein Bild für Leben, und Dunkelheit für Tod. Im Mutterleib ist's dunkel. Bei der Geburt "erblicken wir das Licht der Welt". Das "Lebenslicht" hat man mit einer Kerze verglichen, die herunterbrennt und erlischt oder gewaltsam "ausgeblasen" wird. Echter und falscher Glanz In eine andere Welt entführt uns das Wort Glanz. Web Metall, Glas, Wasser glänzt, weil es das Licht reflektiert. Obwohl "nicht alles Gold ist, was glänzt", verbinden wir mit Glanz, glänzen etwas Wertvolles und Ausgezeichnetes. Da besteht jemand seine Prüfung "mit Glanz und Gloria" und "glänzt" mit seinem Wissen und Können. "Mir geht es glänzend" oder "blendend", sagen wir, wenn es uns gut geht. Blenden bedeutet 'blind machen' Web, besonders: 'so hell strahlen, dass die Augen überfordert sind'. Ein Blender ist ein Angeber, der durch selbstbewusstes Auftreten über seine Mängel und Schwächen hinwegtäuschen will. Web Er "glänzt", ohne aus "Gold" zu sein. Die ersten Lichterbäume müssen mit ihrer ungewohnten Helligkeit die damaligen Menschen sehr beeindruckt haben. Heute ist es normal, dass wir die Nacht zum Tage machen können. Aber keiner wird behaupten, dass auch Flutlicht und Scheinwerfer "lieb und mild" glänzen. |
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[2] Wörterbuchnetz: Schon um 1800 erklärt Johann Christoph Adelung den Lichtstrahl als "Ein sich in gerader Linie unglaublich schnell fortbewegender Lichttheil" |
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Sprachecke 20.11.2012 |
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Datum: 22.12.2012 Aktuell: 09.02.2019 |