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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
Zu der halben NachtSprachecke in den Echo-Zeitungen |
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"Es ist ein Ros entsprungen ... und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht." Die erste Strophe dieses volkstümlichen Weihnachtsliedes von 1587/ 88 besingt die Geburt des Heilands mit traditionellen Bildern und Vorstellungen: das Wunder, dass aus einem abgehauenen Baumstumpf ein Reis hervorkommt und zu einem neuen Baum wächst, vermengt mit den Barbarazweigen, die am 4. Dezember geschnitten werden und mit Glück und Geschick an Weihnachten im warmen Zimmer blühen. Dies sind nur Bilder für die Geburt Christi, der als "Licht der Welt" die Finsternis vertreibt, wie es in den folgenden Strophen heißt.[1] Wann Jesus wirklich auf die Welt kam, wissen wir nicht. Aus der Geschichte mit den Hirten, die "des Nachts ihre Herden hüteten" kann man schließen, dass es Nacht war. Später dachte man an die Nacht vom 24. auf 25. Dezember, die nach der jüdischen und altchristlichen Zeitrechnung schon zum folgenden Tag gehörte, mit dem noch um 1700 das neue Jahr begann. Der unbekannte Dichter will sogar die Uhrzeit wissen: "wohl zu der halben Nacht", um Mitternacht. Halb bezeichnet nicht nur einen von zwei Teilen, die eine Hälfte, sondern auch das Ende des ersten Abschnittes, also die Mitte: Ein Fußballspiel besteht aus zwei Halbzeiten. In der Halbzeit, der Pause dazwischen, können die Spieler ausruhen. Da haben wir beide Bedeutungen nebeneinander, 'Teil' und 'Mitte'.[2] Wohl ist das Adverb von gut, erhalten noch in Zusammensetzungen wie Wohltat und Wendungen wie "wohl oder übel" 'gut oder schlecht', notgedrungen, egal wie's ausgeht. Hier im Lied hat wohl verstärkende, bestätigende Funktion: 'ja zur Mitternacht, das musste so sein,' nicht 'vermutlich' oder 'ungefähr' wie im heutigen Sprachgebrauch.[3] Warum
ausgerechnet "zur halben Nacht"? Weil da
die Nacht am finstersten ist. Das nur hochdeutsche Wort finster macht seinem Namen alle Ehre. Seine Herkunft liegt im Dunkeln, das sich vom Licht des Verstandes nicht durchdringen lässt. Es erinnert an ein seltenes althochdeutsches dinstar 'dunkel', von dessen d- oder ursprünglichem th- aber kein Weg zu f- führt.[4] |
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[1]
Evangelisches Gesangbuch 30. Neues Gotteslob 243.
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Datum: 23.12.2014 Aktuell: 09.02.2019 |