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Die Wahrheit über die Nibelungen: Interpreten
Heinz Ritter-Schaumburg
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eine uralte Sagensammlung?Heinz Ritter-Schaumburg hat eine altschwedische Handschrift der
Thidreksaga aus dem Spätmittelalter, die sog. Svava ins Deutsche übersetzt (1989) und hält diese knappe
Darstellung für die älteste Fassung der deutschen Sage, angeblich noch aus
der Zeit vor Karl d. Gr., der ja alte Heldenlieder gesammelt hatte. Im Falle der Nibelungensage hat Andreas Heusler
überzeugend dargelegt, dass der Abschnitt über Kriemhilds Rache in der
Thidrekssaga eine frühere Fassung des Nibelungenlieds nacherzählt. Man
bekommt bei einem Vergleich eine Ahnung
davon, was der letzte Dichter im Nibelungenlied hinzugefügt hat. Die
Darstellung der Thidreksaga ist allerdings nicht eine bloße Nacherzählung
einer Vorform des Nibelungenlieds. Manches daran wirkt sehr altertümlich wie
der Ausdruck zur Hel schlagen =
töten, Hagens Herkunft von einem Dämon oder Gunnars Tod im Schlangenturm.
Hier haben sich also ältere Sagenelemente mit neueren vermischt. Schauplatz in Nordwestdeutschland?Ritter-Schaumburgs Hauptinteresse ist, nachzuweisen, dass die ganze
Geschichte in Nordwestdeutschland spielt. Er mutet dem Leser einiges zu, wenn
er Namen wie Apolii, Salerna (1), Hesbanien (6), Grekin
(10) nicht in Südeuropa (Apulien, Salerno, Hispanien, Griechen) sucht, wo der
große Theoderich regierte, sondern in Nordwestdeutschland. Am Anfang bedient
er sich noch der ursprünglichen Schreibung und setzt den vermutlich gemeinten
Namen in Klammer; später wird er nachlässiger, gebraucht die modernen Namen
und suggeriert dem Leser, dass das schon so in den Handschriften stehe. · Grekin ist in 10 Graach an der Mosel, dagegen ist in 17 Greken nach dem Zusammenhang eindeutig Griechenland (vorsichtshalber von Ritter Schaumburg mit Fragezeichen versehen). [1] · Ungeren (8) "könnte der Engrisgau sein"; dagegen 17 ohne Kommentar Ungaria neben Rytzeland, Pullerna-Land (Polen?), Greken. Hier muss der Leser an die osteuropäischen Länder denken. · 8 Der Jarl von Bern (Bonn) beherrscht auch Ungeren, Swaweren, Beyeren und Torkeren, also nach Ritter-Schaumburg den Engrisgau und "ein Gebiet, das sich nördlich des Harzes und des Sauerlandes hinzog" [2]. Die Beyeren und Torkeren sollen späterer Zusatz sein. [3] Warum nicht = Ungarn, Schwaben, Bayern, Thüringer (oder Türken), die man von Bern = Verona aus beherrschen könnte? Verona war Regierungssitz der Ostgoten und Langobarden; schon Kaiser Honorius war von Rom ins benachbarte Ravenna gezogen. Manches an seinen Identifizierungen ist fragwürdig. So setzt er Thorta (314) mit Dortmund gleich, das aber 1222 Dortmunde und 890 Throtmanni hieß [4]. Davon, dass die Nyflungen in Wernitza gewohnt hätten, finde ich in der "Svava" überhaupt nichts. Und wenn Venedi östlich von Bern liegt, so denkt man doch wohl eher an Venetien und das italienische Verona als an das deutsche Wenden und Bonn, das ein mittelalterlicher Gelehrter tatsächlich Verona nennt [5]
Ritter-Schaumburg
übersieht, dass Sagen dazu neigen, die überlieferte Geschichte in der Heimat
des jeweiligen Erzählers anzusiedeln. Die Zuhörer fühlten sich geschmeichelt,
wenn ein berühmter Held wie Siegfried oder Dietrich auch in ihrer Gegend war,
oder wenn berichtet wurde, ein lokaler Potentat habe über halb Europa
geherrscht. |
[1] Ritter-Schaumburg ist sich bewusst, dass die Handschrift für die Namen meist mehrere Variationen bietet. Also Grekin = Greken. Das war im Mittelalter nicht selten.
[4] Duden, Geographische Namen in Deutschland 81 [5] ebd. 60 [6] In Anmerkung 18 gesteht Ritter-Schaumburg, dass der Sitz Attalas "Susa oder Susat, einmal auch Susak" heißt. Das liest sich so, als sei Susa die gebräuchliche Form. Wenn Ritter-Schaumburg immer Susat schreibt, dann suggeriert er dem Leser die Gleichung mit Soest. [7] ebd. 246 |
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Datum: 1994 /2006 Aktuell: 09.02.2019 |