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Heinrich Tischner Fehlheimer Straße 63 64625 Bensheim |
EtymologieWas bedeutet Gott? |
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Religions- und Sprachvergleich Vorsicht vor falschen Schlüssen
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I. Religions- und Sprachvergleich1. VorbemerkungDie vergleichende Religionswissenschaft zeigt, dass die Menschen aller bekannten historischen und modernen Kulturen die Existenz von Wesen voraussetzen, die wir mit unserer Sprache als Gott oder Götter bezeichnen können – und sei es nur, dass sie diese Wesen leugnen. Ich möchte im Folgenden nicht wiederholen, was in den gängigen Lehrbüchern über die überlieferten Lehren steht, sondern untersuchen: Welche Vorstellungen waren ursprünglich mit den Vokabeln verbunden, mit denen man diese Wesen bezeichnete? Ich möchte jetzt schon zwei Erkenntnisse vorweg nehmen: Die Vokabeln müssen uralt sein,denn in vielen Fällen sind sie nicht ohne weiteres verständlich. Es gibt z.B. kein deutsches, noch nicht einmal ein germanisches Wort, von dem sich Gott ableiten lässt. Dagegen lässt sich z.B. Sprache als Verbalnomen von sprechen erklären oder Gelegenheit als eine Weiterbildung von liegen. Gott ist auch nicht wie Herr von irdischen Verhältnissen auf den Himmel übertragen. Bei Religionswechsel werden oft die alten Vokabeln übernommen.So wurde der christliche Gott fast überall mit dem jeweiligen Wort der Landessprache bezeichnet. In der türkischen und arabischen Bibel heißt er selbstverständlich Allah. Auch der Islam hat die einheimischen Bezeichnungen, persisch خدا ḫodâ, türkisch tanrı nicht verdrängen können. Andrerseits wird in der gesamten islamischen Welt der eine Gott Allah genannt, nicht weil die alten Bezeichnungen als unpassend empfunden wurden, sondern weil Allah ein Name ist. Es gibt allerdings auch Beispiele, wo Missionare meinten, eine neue Vokabel einführen zu müssen. So hieß in China der katholische Gott 天 主 tiānzhŭ 'Himmelsherr', der evangelische 上帝 shàngdì 'Oberkaiser'. 2. Vorsicht vor falschen SchlüssenDas bedeutet nicht, dass mit allen Vokabeln, die wir mit 'Gott' übersetzen, dieselben Vorstellungen verbunden wären. Denn die verschiedenen Kulturen beschreiben die Welt nicht nur mit unterschiedlichen Vokabeln, sondern sie definieren die Gegenstände unterschiedlich: Mehrere Vokabeln für dieselbe SacheWir Deutsche haben für 'equus caballus' nicht nur eine Fülle von Spezialbezeichnungen (Stute, Hengst, Fohlen, Schimmel, Rappen, Mähre, Klepper...), sondern es gibt allein für die biologische Art drei Wörter, die sich nur im landschaftlichen und soziologischen Gebrauch unterscheiden: Ross, Pferd, Gaul. Das Englische kennt für die Art nur das eine Wort horse und hat an Stelle der Spezialbezeichnungen meist nur zusammengesetzte Ausdrücke. Dagegen haben wir für 'feles leo' nur das eine Wort Löwe und die poetische Variante Leu. Das Hebräische hat dagegen für den erwachsenen Löwen vier Vokabeln (dazu noch Varianten) und für den jungen zwei. Es ist für uns heute unmöglich, die feinen Bedeutungsunterschiede zu verstehen, welche die alten Hebräer vielleicht noch heraushörten. Bedeutungsfelder, die sich überlappenWenn das schon bei sichtbaren Objekten so ist, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass sich die abstrakten Begriffe noch weniger miteinander vergleichen lassen. Im Hebräischen werden 'Wahrheit' und 'Treue', im Griechischen 'Treue' und 'Glaube' mit demselben Wort bezeichnet. Hier überlappen sich also die Bedeutungsfelder von 'Wahrheit', 'Treue' und 'Glaube'. Unterschiedliche Wortstämme für dasselbe BedeutungsfeldWas wir mit dem einen Wort Liebe bezeichnen, nennt der Lateiner amor (mehr 'wohl wollende Zuneigung') und cāritas (mehr 'fürsorgende Zuwendung'). Zu amor gehört das Verb amare, zu cāritas dagegen diligere. Dem Lateiner war bewusst, dass diligere, nicht amare das zugehörige Verb zu cāritas ist. Genau so ist es uns bewusst, dass läuten und sterben die Verben sind, die zu Glocke und Tod gehören. 3. Das Bedeutungsfeld 'Gott'Ähnlich ist es auch mit dem Bedeutungsfeld 'Gott': Mehrere Vokabeln für dieselbe SacheDen Nordleuten standen für die Gattungsbezeichung 'Gott' die Ausdrücke goð n. 'heidnischer Gott', guð m. 'christlicher Gott', regin 'Schicksalsmächte' sowie Asen und Wanen (zwei Götterklassen) zur Verfügung. Im Hebräischen stehen die Varianten אל, אלוה, אלהים él, älôah, älohîm gleichbedeutend nebeneinander, ohne dass man einen Unterschied erkennen kann. Bedeutungsfelder, die sich überlappen.Das semitische Wort בעל baʕal 'Besitzer' kann auch 'Ehemann' und 'Gott' bedeuten und ist einerseits zum Eigennamen des Wettergottes geworden und hat andrerseits in der Bibel die abschätzige Bedeutung 'Abgott' angenommen. – Das althochdeutsche regin bedeutet allgemein 'Rat, Beratung, Beschluss', das gleich lautende altnordische Wort hat dagegen die Sonderbedeutung 'göttlicher Ratschluss, Schicksal, Götter'. Unterschiedliche Wortstämme für dasselbe BedeutungsfeldDas Hebräischen hat zwar drei Wörter für 'Gott', ihm fehlen aber 'Gottheit’ (abstrakt) und 'göttlich'. Für letzteres steht קדוש qádôš 'heilig'; für den abstrakten Begriff bestand kein Bedarf. 4. Gemeinsame VorstellungenDie Vokabeln der verschiedenen Sprachen sind also nicht immer deckungsgleich mit unserem Wort Gott. Trotzdem bin ich überzeugt, dass es gewisse gemeinsame Vorstellungen in allen Kulturen und Religionen von dem gibt, was wir 'Gott' nennen. |
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Schrift: ARIAL UNICODE MS |
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II. Die Vokabeln |
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III. ZusammenfassungBei den Bezeichnungen für das 'höchste Wesen' müssen wir also unterscheiden zwischen eigentlichen und übertragenen Wörtern. 1. Die eigentlichen Wörterkennzeichnen ausschließlich ein 'Himmelswesen' (japhetitisch, asiatisch), ein 'kultisch verehrtes Wesen' (ägyptisch und einige japhetitische Sprachen), ein 'Machtwesen' (semitisch). 2. Die uneigentlichen Wörterdienen auch zur Bezeichnung von Menschen, vor allem die verschiedenen Wörter für 'Herr'. |
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Wortliste | Etymologie von nhd. Gott Im Anblick des Unsichtbaren: Gedanken über Gott und die Welt Sprachecke 13.01.2009 |
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Datum: 1998 / 2007 Aktuell: 10.02.2019 |